Die coolen Typen von Montpellier

Eigentlich htte man ab Sommer 2011 eine neue Routine in der franzsischen Ligue 1erwartet, eine neue Langeweile. Nachdem Paris Saint Germain mit einem Mal die Milliarden aus Katar zur Verfgung hatte, dachten die meisten Franzosen jedenfalls, dass der Klub in den kommenden Jahren smtliche Titel abrumen wird.

Eigent­lich hätte man ab Sommer 2011 eine neue Rou­tine in der fran­zö­si­schen Ligue 1 erwartet, eine neue Lan­ge­weile. Nachdem Paris Saint Ger­main mit einem Mal die Mil­li­arden aus Katar zur Ver­fü­gung hatte, dachten die meisten Fran­zosen jeden­falls, dass der Klub in den kom­menden Jahren sämt­liche Titel abräumen wird.

Zur Macht­de­mons­tra­tion hatte PSG Talente wie Blaise Matuidi, Jérémy Ménez oder Javier Pas­tore ver­pflichtet. Es wurde zeit­gleich der Posten eines Super­ma­na­gers geschaffen, der vom ehe­ma­ligen Spieler Leo­nardo besetzt wurde. Im Januar 2012 rüs­tete dieser dann gleich noch einmal nach. Es kamen: Max­well vom FC Bar­ce­lona, Alex vom FC Chelsea und Thiago Motta von Inter Mai­land. Und den­noch gab es einen Verein im Süden des Landes, der dem Diktat der Haupt­stadt nicht folgen wollte: Mont­pel­liers Hérault Sport Club.

Der HSC Mont­pel­lier besaß in der Saison 2011/12 eine Mann­schaft voller junger, talen­tierter Spieler, die Fuß­ball mit Leich­tig­keit spielten und die im Mai 2012, als sie die erste Meis­ter­schaft in der Ver­eins­ge­schichte gewonnen hatten, so herr­lich jubelten. Sie fei­erten den Titeln in Stroh­hüten, sie trö­teten ihre Schlacht­ge­sänge durch Begren­zungs­hüt­chen und ihr Prä­si­dent, Louis Nicollin, trug mal wieder eine andere Frisur. Eine coole Truppe.

Doch es gibt auch die Kehr­seite. Klar, Younès Bel­handa, Mapou Yanga Mbiwa und Co. sind nette Kerle: sie gehen mit den Fans gut um. Auf dem Feld sieht die Sache indes ganz anders aus. Die Gegner wissen: Wenn man auf die Elf von René Girard trifft, geht’s nicht selten mit sehr vielen blauen Fle­cken nach Hause. Mont­pel­lier gilt als eine der aggres­sivsten Mann­schaften der Liga. Nach der Rück­kehr ins fran­zö­si­sche Ober­haus 2009 lan­dete der MHSC erst auf dem 20. und dann auf dem 18. Platz – in der Fair-Play-Tabelle. Immerhin: In der ver­gan­genen Saison ver­bes­serte man sich auf Platz 13. Diese Plat­zie­rungen mögen auf den ersten Blick nicht erstaun­lich sein, denn wenn man die Meis­ter­schaft gegen eine ver­meint­liche Über­mann­schaft wie PSG gewinnen will, muss man natür­lich kämpfen. Aber muss man nicht auch ein biss­chen spielen?

Viel­leicht ist es so, dass vielen MHSC-Spie­lern die Erfah­rung fehlt, um in bestimmten Situa­tionen ruhig zu bleiben. Younes Bel­handa hatte etwa am Ende der ver­gan­genen Saison im Spiel gegen Evian für Unruhen gesorgt. Der marok­ka­ni­sche Spiel­ma­cher soll damals den Schieds­richter auf­ge­for­dert haben, Evians Cédric Mon­gongu die Rote Karte zu zeigen. Dieser hatte zwar Bel­handa ins Gesicht geschlagen, doch danach verlor Bel­handa die Beherr­schung – und sah selbst Rot. Später kri­ti­sierte er seine Mit­spieler Oli­vier Giroud und Sou­ley­mane Camara in der Presse. Letz­teren, weil dieser einen Elf­meter ver­schossen hatte.

Früher in der Saison hatte schon Tor­hüter Geoffrey Jourdren von sich reden gemacht. Nach einer 0:1‑Pleite gegen Valen­ci­ennes wurde er von einem Jour­na­listen auf seinen Fehler ange­spro­chen, der zum Gegentor führte. Jourdren reagierte erbost. Er brummte: Va te jeter à la mer“ (Schmeiß dich ins Meer). Mit einem anderen Jour­na­listen hatte Mapou Yanga Mbiwa ein paar Monate früher zu tun. Nachdem er gegen Bor­deaux mit Gelb-Rot vom Platz geflogen war, wurde er von einem Reporter ange­spro­chen. Dumme Frage („Mapou, ver­stehen Sie diese zweite gelbe Karte?“), dumme Ant­wort („Fragen Sie mich noch einmal sowas, und Sie werden sehen, was Sie sehen werden!“). Dazu setzte Mapou Yanga Mbiwa einen Blick auf, der an Dra­matik kaum zu über­bieten war.

Beide Spieler haben sich später ent­schul­digt, und doch haben sie gezeigt, wie sie sich ver­än­dern, wenn sie das Sta­dion und den Rasen betreten. Es wirkt bei­nahe so, als hätten sie bei Cyril Jeunechamp gelernt. Der 36-Jäh­rige ist zur­zeit der Lige-1-Rekord­halter was Platz­ver­weise angeht: Sieb­zehn Rote Karte erhielt der Mont­pel­lier-Spieler in seiner Kar­riere bereits (dazu 118 Gelbe). Und man braucht gar nicht über den ehe­ma­ligen MHSC-Ver­tei­diger Emir Spahic reden, der zwi­schen 2009 und 2011 gezeigt hat, dass er ziem­lich ver­rückt war.

Woher rührt diese Über­mo­ti­va­tion? Viel­leicht von René Girard. Mont­pel­liers Coach ist dafür bekannt, sehr hart und kom­pro­misslos mit seinen Spie­lern umzu­gehen. Oder ist es doch Louis Nicollin? Der letzte Rock­star-Prä­si­dent der Ligue 1 ist dafür bekannt, seine Zunge nicht im Zaum halten zu können. Seine Spieler behan­delt er wie seine Kinder: Er liebt sie einer­seits, doch auf der anderen Seite ist er sehr streng mit ihnen. Zuletzt pol­terte er wieder los, weil es im Klub anschei­nend einige Spieler gibt, denen der Erfolg zu Kopf gestiegen ist. Es gibt Köpfe, die man abschwellen muss. Ich kann durch­schnitt­liche Spieler nicht leiden, die denken, sie seien Stars. Wenn ich das sehe, wäre ich lieber nicht Meister gewesen!“

Zu spät: Nun spielt Mont­pel­lier in der Königs­klasse. Und auch wenn die Schalker Spieler erfah­rener sind, sollten sie auf­passen, dass sie nicht mit königs­blauen Fle­cken nach Hause fahren werden.

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Ali Farhat ist Redak­teur beim fran­zö­si­schen Fuß­ball­ma­gazin So Foot“. Für uns schreibt er Geschichten rund um die Ligue 1.

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